Mittwoch, 30. April 2014

Der Anfang vom Anfang

Sei gegrüßt werte deutschsprachige Welt!

Nach den 4-5 Jahren Rumreisen durch die Welt, dem harten Winterleben in einer Yurte in den USA und den dazu gehörigen Blogs, kommt nun der wahrscheinlich letzte Blog. Der letzte, weil mein nun folgender Lebensabschnitt hoffentlich nicht nur ein kurzweiliges Abenteuer wird, wie die letzten Jahre seit 2008, in denen ich eher wie der Wind durch die Kontinente gesaust bin. Diesmal geht es ums Niederlassen und Wurzeln schlagen. Allerdings vielleicht nicht wie der deutsche Durchschnittsmensch, sondern etwas abgedrehter. Das können sich mittlerweile aber hoffentlich alle denken. Daher auch der Name des neuen Blogs: aussteigerleben.blogspot.com.
Jeder kann zumindest ein Bisschen was mit dem Wort Aussteiger anfangen und hat eine Idee dazu, obwohl ich mich persönlich nicht mehr als Aussteiger betrachten würde. Zuallererst bin ich nie wirklich "eingestiegen", also kann ich auch nicht wirklich aussteigen. Außerdem finde ich es nicht so sonderlich extrem, was ich und Becky mit unserem Leben vorhaben. Wir machen so ziemlich das gleiche, was alle anderen machen, nur auf eine etwas andere Art und Weise.

Nun fragen sich vielleicht manche:"und warum gibst du dann deinen Senf im Internet ab?". Zum einen weil es teilweise ein Auswandererblog ist und ich denke, dass zumindest in Deutschland immer reges Interesse an Auswanderergeschichten vorliegt und zum anderen, weil ich denke, dass die "etwas andere Art und Weise" unser Leben zu Leben leben durchaus erwähnenswert ist und vielleicht sogar ein paar Menschen inspirieren könnte ähnliches zu tun oder es sein zu lassen. Am Ende sind es vielleicht sehr wichtige Erfahrungen, die Becky und Ich machen werden, um die es zu schade wäre sie einfach in unserer beider Köpfen zu behalten und sie nicht zu teilen.

Becky macht übrigens genau das Gleiche nur auf Englisch.

insight-homesteading.blogspot.com


So, um was geht es nun aber eigentlich?

Ganz grob geht es darum wie Becky und ich uns Land in Vermont gekauft haben, nun auf diesem Land den Sommer über campen und währenddessen ein Strohballenhaus bauen, Brunnen graben, Elektrizität und Garten anlegen und unser Neohippiedasein fristen. Dazu gibts es natürlich jede Menge Fotos und Videos um die ganze Sache anschaulicher zu machen.

Wie einige schon wissen bin ich 4 Jahre durch die halbe Welt gereist, habe viel gesehen und erlebt und das war ausgezeichnet!
http://tuffis-weltreise.blogspot.com/
Es war wunderbar und genau das habe ich gebraucht. Dann wurde ich aber müde des Reisens: immer Gast sein, nur den Rucksack besitzen, immer auf Anhalter beim Trampen angewiesen sein, keine langjährigen festen Beziehungen aufbauen, kein eigenes zuHause haben. Manche können so ein Leben lang leben. Ich nicht. Genau zur richtigen Zeit habe ich dann Becky in den USA kennen gelernt. Es hat sofort gefunkt und anderthalb Jahre später waren wir verheiratet. Nun bin ich hier in Vermont, USA, als deutscher Einwanderer mit einer Greencard (dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder wie auch immer man das heute nennt).

So ziemlich gleich nach der Hochzeit haben wir uns eine Yurte gekauft und haben sie auf dem Grundstück von Beckys Freunden in New Hampshire (Nordostküste) aufgestellt und dort 8 Monate lang den Winter 2012/13 drin gelebt.
yurtenleben.blogspot.com
Ich weiß, ich weiß, nur den Winter in einer Yurte ist ziemlich hirnrissig. So haben sich die Dinge nun aber entwickelt und das hat uns gezeigt, wie hart man im nehmen sein kann und was möglich ist. Und das ist zeimlich gut zu wissen.

So ziemlich von Anfang an war uns beiden klar, was wir im Leben wollen: in einem schönen kleine Haus in der Natur leben (bevorzugt in einer art offenen und freien Kommune), jedoch nahe einer Stadt; unser eigenes Essen so weit es geht anbauen; unseren eigenen Strom produzieren oder gar keinen haben; nackig durch den Wald springen können; nicht vorrangig zum Erwerbszweck arbeiten gehen zu müssen, sondern weil wir es wollen; so ziemlich nach den alten Hippie-Idealen leben. Das Hauptaugenmerk lag bei uns immer auf folgendem Punkt: Wir wollen nicht arbeiten! Zumindest nicht so, wie das Wort heutzutage verwendet wird. Ich bin nicht faul. Ganz und gar nicht. Holzhacken und Unkraut jeten und Dach reparieren und Dinge erfinden und bauen, die das Leben einfach machen - das geht klar. Aber jede Woche 45h Geld verdienen und vor allen Dingen früh Aufstehen? Das spricht mich irgendwie nicht an. Das früh aufstehen ganz besonders nicht. Das ging mir schon in der ersten Klasse voll aufn Keks und ich hab den Sinn dahinter nie verstanden. Daran hat sich bis jetzt nichts geändert und so begab ich mich aufs Reisen begeben um die Weisen anderer Länder und Kulturen kennen zu lernen und einen Weg zu finden dem allgemein akzeptierten deutschen Modell abzusagen und was für mich besseres aus meinem Leben zu machen. Nicht, dass ich sage, dass es falsch ist. Falsch und richtig gibts hier nicht. Viele Leute sind glücklich so. Es ist halt einfach nicht meins!

Ziemlich schnell habe ich festgestellt, dass ich dazu Land brauche. Vielleicht sogar schon mit einem Haus drauf. Denn dann ist schon mal ein großer Teil des finanziellen Drucks weg: Miete. Jeden Monat für den Rest des Lebens mal so eben 500 Öcken hinlegen (und das ist sauwenig!), um einen Platz zum schlafen und kochen zu haben? Das ist schon arg heftig. Bleibt noch Essen, Krankenversicherung, vielleicht Auto, Spaß und andere Einkäufe und später vielleicht mal Kinder. Essen kann man (hoffentlich) viel selber anbauen. Krankenversicherung kommt man nicht drum rum. Auto? Fahrrad ist auch gut, so oft es geht. Wandern und Kopulieren macht Spaß (und ist kostenlos) und für die Resteinkäufe kann man das Geld schon irgendwie auftreiben. Ich will ja nicht aus dem Geldsystem aussteigen. So einen netten kleinen 15h Teilzeitjob fände ich prima. Kinder? Das ignorieren wir mal erst für die nächsten paar Jahre. Da komme ich spääääter drauf zu sprechen.

So, mit diesen Ideen bin ich schon mal viel weiter. Land. Das kann ja nicht so schwierig sein. In Deutschland aber schon. Da kommt man ohne nen Koffer voll Geld nicht weit. Ich will ja auch nicht nur meine Gartenkresse im Vorgagrten säen, ich will einen kleinen Kartoffelacker. Dazu braucht man schon etwas Fläche. Auch will ich nicht im Nirgendwo enden, denn dann werde ich wahrscheinlich depressiv. Ich will mich nicht aus der Gesellschaft ausklinken nach dem Motto: ab in die Wildniss - so weit wie möglich weg. Mit diesen Kriterien wirds in Deutschland wie gesagt zu teuer. Becky wollte sowieso hier in den USA bleiben. Also haben wir angefangen hier nach Land zu schauen. Dieser Prozess hat schon angefangen, als wir noch in Portland, Oregon waren. Ich habe stundenland im Internet Grundstücke gesucht. Das ging weiter, als wir in der Yurte gelebt haben.

Dann haben wir uns die ersten Grundstücke angeschaut, in New York, New Hampshire, Vermont, West Virginia. Dabei haben wir die ganze Prozedur kennen gelernt: ins Rathaus gehen, Geschichte erfragen, Steuern, Elektrik, Wasser, Bauvorschriften usw. Nach einer Weile wurden wir immer besser darin und wussten dann worauf wir achten müssen und was Fallen sind. Dann, vor einem Jahr haben wir uns fast ein Grundstück in Vermont gekauft. Zum Glück haben wir aber die Finger davon gelassen, nachdem wir die Nachbarn kennen gelernt haben (hardcore Rednecks) und ein Kopfschütteln vom Septic Engineer für eine Klärgrube bekommen haben.

Doch dann, beim Heimatbesuch in Deutschland fanden wir das vielleicht perfekte Grundstück in Guilford, Vermont. Wir haben aus der Ferne alles erdenkliche in Erkenntnis gebracht, sind beispielsweise mit dem Routenplaner von google.maps alle wichtigen Strecken abgefahren und haben alle genauen Daten zum Grundstück herausgefunden. Schon bei den Flitterwochen in Griechenland, ohne das Grundstück je gesehen zu haben und auf die Beurteilung Beckys Eltern zu vertrauen, haben wir ein Angebot gemacht. $49.000 war der verlangte Preis. Wir boten $35.000. Nach wochenlangem Hin und Her haben wir uns auf $42.000 geeinigt. Zu dem Zeitpunkt waren wir wieder zurück in den USA und haben das Land mittlerweile gesehen. Lustigerweise war meine Mittu und mein Stiefvater auch da und haben ihre Meinung hinterlassen. Wir alle haben sofort gesehen, dass dies das richtige Stück Land sein könnte.

Ja, und so war das. Anderthalb Jahre hat die Suche gedauert und dann war es so weit: wir würden Landeigentümer sein! Nach dem unterschriebenen Kaufvertrag hat sich die Sache noch Monate hingezogen, da wir kauf abhängige Bedingungen gestellt haben. Gott sei Dank. Denn unser Anwalt, den wir uns auf Enpfehlung genommen haben, hat schwerwiegende Fehler in den Grundstückspapieren gefunden, die die Verkäuferseite erst beheben musste.

In der Zwischenzeit haben wir unsere Yurte verkauft sowie unsere Seele und sind zum Arbeiten ein letztes Mal zu Calvin (mein Exboss aus Kanada) gefahren, um das nötige Geld zu verdienen, damit wir Beckys Eltern zurück zahlen konnten, die uns beim Landkauf finanziell etwas unterstützt haben. Dort haben wir die letzten 5 Monate malocht. Angefangen in Alva, Oklahoma. Doch dann  hat Calvin gesagt, dass wir nach Kanada kommen sollen, weil er dort mehr für uns zu tun hat. Also sind wir nach Kanada geflogen, haben dort nochmal 3 Monate gearbeitet und sind Ende März mit dem Auto von Fort St. John, BC bis nach Alva zurück gefahren, haben dort unser eigenes Auto geschnappt und sind weiter nach Connecticut an die Ostküste gedüst. Das ganze hat 6 Tage gedauert, war ein 6.400km Trip und unsere CO2-Billanz ist nun erst mal voll im Arsch. Wenigstens verwenden wir nun unser Gehalt für etwas wovon wir denken, dass es uns und der Erde gut tut.

Am 9. April war es dann soweit: wir haben das erste mal so richtig als Landbesitzer Fuß auf den Boden gesetzt.

... Fortsetzung folgt